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Newsletter vom 17. 1. 2021

Zum neuen Jahr: Unser gemeinsamer Einsatz für eine gute Volksschule geht weiter

Bereits in den ersten zwei Januarwochen ist die Schule in den Medien präsent, und das ist recht so. Was wir Erwachsenen unserer Jugend an Bildung mitgeben und auf welche Weise Unterricht abläuft, ist von existentieller Wichtigkeit für ihr ganzes Leben und für die Zukunft unserer Gesellschaft.

Mit oder ohne Hausaufgaben? Die Frage zielt am Wesentlichen vorbei

Über Sinn und Unsinn der Hausaufgaben würden Pädagogen, Eltern und Lehrerinnen schon lange streiten, meint NZZ-Redaktorin Lena Schenkel und kommt nach der Wiedergabe der gängigen Pro- und Contra-Argumente zum Schluss, zumindest für die jüngeren Schüler gehe es auch ohne Ufzgi. Zweifellos «geht es auch ohne», aber die einzig relevante Frage muss ja sein, wie die Kinder am besten lernen und das Gelernte auch behalten können. In seinem «Lob der Hausaufgaben» hält Junglehrer Régis Ecklin schlicht fest: «Hausaufgaben bieten die einmalige Gelegenheit, das Gelernte zu repetieren, zu vertiefen und zu erweitern.» Jeder erfahrene Kollege kann das bestätigen.

Gemäss der Doktrin der «modernen» Lehrerausbildung und des Lehrplan 21 soll aber in der Schule gar nicht so viel geübt und verfestigt werden, immer mal wieder etwas Neues sei «spannender» für die Schüler und Studenten. Der Haken dran: Ohne Einprägen und Wiederholen bleibt wenig hängen. Einer, der unermüdlich auf diese unumstössliche Tatsache hinweist, ist Carl Bossard. Deshalb stellen wir auch in diesem Newsletter seinen neuesten Text an den Anfang. «Üben heisst das Zauberwort; 'nid nahla!' wird zum ehernen Grundsatz», wenn man in irgendeinem Bereich vorankommen will, hält er fest.

Es ist Aufgabe der Lehrerin, ihren Schülern genügend Gelegenheiten zum Üben zu bereiten, unter anderem mit Hausaufgaben. Wer Hausaufgaben als «sinnlose Beschäftigungstherapie oder sogar Schikane» in Erinnerung hat (siehe «2Es geht auch ohne 'Ufzgi'»), hat keine guten Lehrer gehabt. Hausaufgaben müssen so konzipiert sein, dass die Schüler einen gründlich eingeführten Lernstoff zu Hause üben und vertiefen können – dazu dürfen auch Knacknüsse oder etwas Lustiges gehören. Zwingend für einen erfolgreichen Lernprozess ist ein inhaltliches Feedback der Lehrerin (Korrektur, Besprechen, weiteres Vertiefen in der Klasse oder ähnliches), ein «Häkli» im Sinne von «ich habe gesehen, dass du etwas gemacht hast» genügt nicht. Wer etwas falsch gemacht hat oder die Aufgaben nicht lösen konnte und keine Eltern oder Geschwister hat, die ihm beispringen konnten, hat dann seine «Chancengleichheit» hinterher im Unterricht.

«Wer glaubt, die technische Ausstattung von Schulen sei ein Garant für gelingenden Unterricht, irrt oder verfolgt eine eigene, meist kommerzielle Agenda»

Dieser etwas lang geratene Zwischentitel fasst den Gehalt des Interviews mit dem bekannten Medienwissenschaftler und Digitalisierungskritiker Ralf Lankau zumindest teilweise zusammen. Der unverzichtbare ergänzende Teil: Es besteht breiter Konsens darüber, dass «gelingender Unterricht immer an die Lehrpersönlichkeit und den gemeinsamen sozialen Raum gekoppelt ist.» Auch für unsere informierte Leserschaft lohnt es sich, den ganzen Text zu lesen. Wir bleiben auch im kommenden Jahr beim Berufsauftrag der Lehrerin und des Lehrers als «wichtiger und notwendiger Anker und Gegenpol» zur technisierten und digitalisierten Welt. Dies sich immer wieder bewusst zu machen, kann gerade in der heutigen schwierigen Zeit eine stärkende Wirkung haben.

Bestätigt werden Ralf Lankaus Thesen durch den nächsten Artikel: «Amerikas Schüler leiden unter der Pandemie». Die vorgestellten Studienergebnisse bestätigen einmal mehr: Kinder tragen aus dem Fernunterricht im Schnitt grosse Wissensrückstände davon, besonders wenn sie aus eher bildungsfernen Familien stammen. Dies ist soweit nichts Neues. Ganz absurd jedoch sind die Konsequenzen, die manche Gemeinden in den USA daraus zogen: Sie installierten WLAN in Schulbussen und verteilten von Tech-Konzernen gespendete Laptops an die Schüler. Andererseits wurden vielerorts Lehrer entlassen, weil pandemiebedingt die Steuereinnahmen der Gemeinden einbrachen.

Eine verkehrte Welt: Nicht mehr Internet-Anschlüsse brauchen die Kinder, sondern mehr Lehrer, Erwachsene, Menschen, die sich ihrer annehmen und ihnen etwas beibringen. Für den Fall, dass auch in der Schweiz die Schulen zeitweise wieder geschlossen werden müssen, ist dies als wichtige Lehre auch aus den Erfahrungen mit dem hiesigen Fernunterricht mitzunehmen: Es ist so viel direkte Beziehung zwischen der Lehrerin und den Schülern zu schaffen, wie es auch immer möglich ist.

«Normale» Noten für Schulkinder und Jugendliche

Vor Jahren habe ich einmal mit einigen Berufsschulklassen das Für und Wider von Zeugnisnoten diskutiert. Zu meiner Überraschung war bei den anschliessenden Abstimmungen in allen Klassen die grosse Mehrheit für Noten. Gute Noten zu erreichen sei für sie ein Ansporn zum Lernen, fanden sowohl die leistungsstarken als auch viele schwächere Schüler.

Gut, in der Unterstufe der Primarschule ist die Situation anders als in der Berufsschule. Und klar braucht es zusätzlich fordernde und ermutigende Gespräche mit jedem einzelnen Schüler («stetes Feedback mit Coaching-Gesprächen» nennt man das heute, so zum Beispiel die Schulleiterin Nora Bussmann im Zürcher Kantonsrat). Erfreulich, dass der Kantonsrat die Notenfrage debattiert und deutlich gegen den Verzicht auf Schulnoten votiert hat. Wichtig auch die Hinweise der Lehrer Matthias Hauser und Christoph Ziegler im Rat, dass Notenzeugnisse für den Übertritt in die nächste Bildungsstufe von grosser Bedeutung sind – wären, muss man korrigieren. Denn die Lehrbetriebe lassen die Bewerber aus der Sek schon seit vielen Jahren eigene Tests lösen, weil sie schon zu oft Fünfer und Sechser in den Sek-Zeugnissen vorfanden, die dem Stand der Jugendlichen nicht entsprachen. Solche Erfahrungen hat sicher auch Kantonsrat und Unternehmer Marc Bourgeois mit seinen Lehrlingen gemacht: Er warnt davor, dass die vielgerühmte und allerorts geforderte «Chancengleichheit» auch in Gleichmacherei ausarten kann, die niemandem etwas nützt, zuallerletzt den Schülern.

Bedeutung der dualen Berufsbildung auch für die Volksschule

Damit sind wir bei der dualen Berufsbildung angelangt, die in der Schweiz von überragender Bedeutung für die Zukunft eines grossen Teils der Jugend ist. Die Volksschule hat unter anderem die Pflicht, die schulischen und praktischen Grundlagen dafür zu legen. Mit meinem Artikel lade ich Sie dazu ein, sich in das Schweizer Modell der dualen Berufsbildung hineinzubegeben. Emil Wettstein legt in seinem lesenswerten Sachbuch «Berufsbildung. Entwicklung des Schweizer Systems» sowohl den grossen Bogen als auch die einzelnen Facetten gut verständlich dar.

Damit laden wir Sie zur Lektüre des ersten Newsletters der «Starken Volksschule Zürich» im neuen Jahr ein und wünschen Ihnen ein gutes 2021. Auch in diesem Jahr werden wir uns aktiv für eine gute Schule einsetzen und freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit mit Ihnen.

Marianne Wüthrich