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Newsletter vom 12. 5. 2019

Start zu einem Dialog auf Augenhöhe zwischen den Akteuren im Schulfeld

Am 18. Mai wird der unabhängige Schweizer Schulblog «Bildungsperspektiven Condorcet» aufgeschaltet.

Noch immer können so genannte fortschrittliche Bildungspolitiker ungeniert behaupten,Frontalunterricht gehöre in die Mottenkiste, ohne dass ihnen widersprochen wird. Dabei dürfen sie darauf vertrauen, dass ihre Meinung von vielen Journalisten ungeprüft weiterverbreitet und viel Beifall finden wird. So eignet sich der Begriff «Frontalunterricht» aus der Zeit des Grabenkriegs bestens, um Bewährtes zu verunglimpfen, um dann schulische Reformen in umso hellerem Licht erscheinen zu lassen. Hauptsache ist, dass Neues geschaffen wird, das ein goldenes pädagogisches Zeitalter verspricht.

Viele Bildungspolitiker kümmern sich nicht im geringsten um die Tatsache, dass John Hattie in seiner umfassenden Untersuchung über die Merkmale guten Unterrichts unter anderem klar nachgewiesen hat, dass ein qualifizierter Frontalunterricht sehr effizient ist. Damit meint er nicht einen Paukerunterricht, sondern eine didaktisch klug aufgebaute direkte Instruktion. Eine hohe Eigenaktivität der Schülerinnen und Schüler beim Zuhören und Miterleben ist darin genau so enthalten wie der klärende Dialog im Klassengespräch.

Die Bildungspolitik der letzten Jahre lebt von Ankündigungen und Versprechungen. Damit kommt man bei den Eltern, die sich um die Zukunft ihrer Kinder grosse Sorgen machen, gut an. Wer von den bildungspolitischenSchulpropheten will schoneingestehen, dass sich ein grosser Teil der aktuellen pädagogischen Konzepte nuralsSchönwetterprogramm eignet und oft weit weg von der Schulrealität ist? Noch so gerne werden kühne Vorstellungen über eine umfassende Individualisierung und Digitalisierung des Unterrichts aus den Forschungsabteilungen von Pädagogischen Hochschulen übernommen. Dabei übersehen die wohlmeinenden Politiker, dass viele der vorherrschenden Ideen nur mit sehr hohen Kosten überhaupt umsetzbar sind.

Eigentlich gehört es zu unseren helvetischen Polittugenden, dass Wesentliches von Wünschbarem unterschieden wird. Wir sind stolz darauf, dasswiroffen sind für neue Ideen und diese in der Schulrealität überprüfen.Doch die Bildungspolitik der letzten Jahre scheint davon deutlich Abstand genommen zu haben. Da werden Bildungsprogramme entworfen, für welche die Zeit nie und nimmer reicht, um sie erfolgreich umzusetzen. Die Liste der pädagogischen Baustellen, für die immer neue Kredite zur Weiterführung der Arbeiten gefordert werden, ist lang: Die Integration verhaltensauffälliger Schüler in die Regelklassen, die Übernahme neuer Aufgaben aus dem erzieherischen Bereich, der zusätzliche Aufwand durch das vorverschobene Eintrittsalter in den Kindergarten, die Veränderung des Unterrichtsstils von der direkten Instruktion zum umfassenden Individualisieren. Das pädagogische Sündenregister könnte noch um einiges verlängert werden.

Zurzeit wird in einer Aufklärungskampagne darauf hingewiesen, dass die Lehrerinnenund Lehrer massiv zu viele Überstunden leisten. Doch statt das Übel bei der Wurzel anzupacken, wird davon gesprochen, mehr Schulsozialarbeiter einzustellen und Retuschen beim bürokratischen Aufwand vorzunehmen. Doch so kommen wir keinen Schritt weiter.

Wo bleiben die Bildungspolitiker, die jetzt hinstehen und ihr eigenes Reformwerk überprüfen?Weshalb hört man nichts von ihnen, wenn sich Tausende von Lehrerinnen und Lehrern darüber beschweren, dass sie ohne Kleinklassen zu viel Zeit für stark verhaltensauffällige Schüler täglich aufwenden müssen? Warum fordert der Schweizer Lehrerverband nicht energischer, dass stark umstrittene Schulreformen auch im Licht von Aufwand und tatsächlichem Ertrag durchleuchtet werden müssen? Wie sehr das Dogma der unbedingten Aufnahme aller Schüler in die Regelklassen die Schulen belastet, können Sie in den von uns zusammengestellten Beiträgen und Leserbriefen aus der Sonntagszeitung entnehmen.

Es ist höchste Zeit, dass eine schweizweit gut vernetzte und offene Diskussion über unsere Schulestattfindet. Am 18. Mai ist es so weit: Mit dem Schulblog «Bildungsperspektiven Condorcet» wird ein Forum für aktuelle Schulfragen geschaffen, welches relevante Themen aus der Schulpraxis zur Diskussion stellen will. Dabei sollen ähnlich wie in unserem Zürcher Forum Berichte aus dem Schulalltag und seriöse Analysen aufgeschaltet werden. Angestrebt wird ein Dialog ohne Scheuklappen zwischen den Vertretern neuer pädagogischer Ideen und dem Bodenpersonal in der Schulpraxis. Welchen Zweck der Blog genau verfolgt, können Sie an der hochkarätigen Berner Veranstaltung vom nächsten Samstag direkt erfahren. Die Einladung dazu finden Sie in unserem Newsletter.

Wie immer haben wir für Sie einen Beitrag von Carl Bossardbereit. Diesmal ist es ein Lesegenuss mit philosophischen Betrachtungen zum Wort «eigentlich». Vielleicht werden Sie dabei öfters mit dem Kopf nicken oder etwas schmunzeln.

Für die Redaktion «Starke Volksschule Zürich»

Hanspeter Amstutz

Inhalt

  • Start zu einem Dialog auf Augenhöhe zwischen den Akteuren im Schulfeld
  • Lehrer arbeiten weniger und doch zu viel
    Tages-Anzeiger 9.5.2019, Schweiz, Raphaela Birrer
  • Warum eigentlich „eigentlich“?
    Journal21 08.05.2019, von Carl Bossard
  • Jedes fünfte Kind stört den Unterricht
    SonntagsZeitung 28.4.2019, Nadja Pastega
    Problemschüler – fünf Beispiele
  • Auch Schüler mit einer Depression sind ein Problem
    SonntagsZeitung 28.4.2019, N. Pastega, S. Besson
  • Es braucht wieder Kleinklassen
    SonntagsZeitung 27.4.2019, Arthur Rutishauser, Chefredaktor Tamedia
  • Eltern, Lehrkräfte, Schulen – alle sind gefordert
    SonntagsZeitung 5.5.2019, Leserbriefe
  • Früh einfangen
    SonntagsZeitung 5.5.2019, TinaHuber
  • Leute wie wir, Daniel, 12 Jahre, Zürich Kreis 6
    Tages-Anzeiger Magazin, 27.4.2019, Editorial, Katja Früh
  • Einspruch! 2
  • Veranstaltungshinweise
    Mai 2019, Bildungsperspektiven Condorcet
    22.5.2019 Im Bann der Bildschirme – wenn Gamen und soziales Networking zur Sucht werden