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Newsletter vom 10. 4. 2022

Von Schulproblemen bis zur Ausbildungsstatistik der Bundesverwaltung

Unsere Textsammlung ist diesmal weniger umfangreich als auch schon, aber nicht weniger aussagekräftig. Dreh- und Angelpunkt für Eltern und Pädagogen ist immer die Frage: Was können / müssen wir unseren Kindern mitgeben, damit sie zu jungen Erwachsenen werden, die ihren Alltag und ihre menschlichen Beziehungen positiv und konstruktiv gestalten sowie ihren Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenleben leisten können?

Jugendliche bei der Bewältigung der Anforderungen des Lebens unterstützen

«60 Prozent der Lehrlinge haben Probleme», so eine Studie aus dem Kanton Basel-Stadt, auf die der Tages-Anzeiger verweist. Die ganze Untersuchung finden Sie unter dem angegebenen Link. Man müsse psychische Leiden von Jugendlichen ernst nehmen und eine bessere Betreuung in Zusammenarbeit mit den Lehrbetrieben ermöglichen, so der an der Studie beteiligte Psychologe Niklas Baer. Ja, sicher, aber der kritische Einwand des Journalisten, dass zuweilen «ein gewisser Hang zur Übertherapierung der Jungen besteht», ist nicht von der Hand zu weisen.

Als Berufsschullehrerin habe ich die Erfahrung gemacht, dass wir einen psychisch oder suchtgefährdeten Lehrling oft am besten «über die Runden bringen» konnten, wenn die Kooperation zwischen der Schule und dem Lehrbetrieb – eventuell auch mit den Eltern – bündig war und wir möglichst genau erfasst haben, was mit dem Jugendlichen los war und wie wir ihn zum Mittun gewinnen konnten. Selbstverständlich sind nicht alle Probleme eines jungen Menschen damit gelöst, dass er seinen Lehrabschluss schafft, und mancher benötigt zusätzlich psychologische Hilfe. Aber für die meisten ist es ein essentieller Schritt ins Leben, wenn sie mit den Anforderungen der Realität in Schule und Betrieb fertig werden und in Beziehung mit Lehrern und Mitschülern sowie dem Ausbildner und den Mitarbeitern diesen wichtigen Lebensabschnitt bewältigen.

Smartphones für Sechsjährige? Bericht vom Vortragsabend der Ostschweizer Kinderärzte

Am Vortragsabend vom 9. März in St. Gallen zum Thema «Digitalisierung von Schule und Alltag» ging es einmal mehr um die Auswirkungen eines übermässigen digitalen Konsums auf die Kinder und Jugendlichen. Carl Bossard stellt uns in seinem Beitrag dankenswerterweise die Schwerpunkte des Abends vor. In Kombination mit einer häuslichen Erziehung, die den Kindern «fast jeden Stein aus dem Weg räumt», führe das stundenlange Alleinlassen schon von Sechsjährigen (!) mit ihrem Smartphone zu einer beunruhigenden Zunahme junger Menschen, die unfähig seien, ihr Leben konstruktiv zu bewältigen. Darüber referierte der Psychologe und Sachbuchautor Rüdiger Maas aus Augsburg. Prof. Klaus Zierer von der Universität Augsburg stellte die Resultate des Bildungsforschers John Hattie in Bezug auf die Wirksamkeit von digitalem beziehungsweise vom Lehrer persönlich geführten Unterricht vor. Beide Referenten kamen zum selben Schluss, den jede der humanistischen Bildung verpflichtete Fachperson mit ihnen teilt und den auch Carl Bossard in seinem Bericht festhält: Bildung ist ein sozialer Prozess, und kein Medium kann die Beziehung zwischen Lehrer und Schüler ersetzen.

Tagesschule einmal mehr im Fokus der Stadtzürcher Politik

Ganz ähnlich wie die milliardenschwere «digitale Revolution» in der Schule vermag auch ein millionenschwerer Ausbau anderer Gefässe wie der Tagesschule es nicht, die Volksschule qualitativ zu verbessern. Dies vertrat unser Vereinsmitglied Yasmine Bourgeois, Schulleiterin und FDP-Gemeinderätin in der Stadt Zürich, anfangs März in der Ratsdebatte. Die FDP unterstütze zwar die Tagesschule, aber nicht die horrenden Summen, welche die Ratslinke für zusätzliches Personal und anderes ausgeben wolle. Bourgeois' pädagogisch und menschlich ansprechende Argumente lesen Sie im Artikel «Freisinnige lehnen Ausbau der Tagesschule ab». Am 6. April wurde nun die flächendeckende Einführung von Tagesschulen mit jährlichen Mehrkosten von 51 Millionen Franken von der Mehrheit des Gemeinderates angenommen, gegen eine Minderheit aus FDP und SVP. Die Stadtzürcher Bevölkerung wird am 3. Juli über die definitive Einführung der Tagesschulen abstimmen («Projekt Tagesschule kommt vors Volk»).

Einzigartig hohe Ausbildungsquoten der jungen Erwachsenen in der Schweiz

Krönender Abschluss unserer Textsammlung bildet eine Studie des Bundesamts für Statistik (BfS) zum Bildungsweg aller Schweizer Jugendlichen, die 2010 15 Jahre alt waren. Zehn Jahre später hielt das BfS fest, wie viele der inzwischen 25-Jährigen einen Abschluss der Sekundarstufe II (berufliche Grundbildung oder Matura) erworben hatten. Die Studie finden Sie hier.

Die Unterschiede, die Sie im Diagramm sehen können, sind wenig überraschend: In der Schweiz geborene Schweizerinnen und Schweizer weisen am meisten Abschlüsse auf, im Ausland geborene Ausländerinnen und Ausländer am wenigsten. Die Matura machen mehr junge Frauen als junge Männer. In der Deutschschweiz schliessen etwas mehr Jugendliche die Sek II erfolgreich ab als in der Romandie und im Tessin, dafür erwerben dort mehr die Matura. Auch ein Stadt-Land-Unterschied ist erkennbar.

Was den Leser aber wirklich vom Hocker reissen dürfte: Ein einmalig hoher Anteil aller jungen Erwachsenen hat einen beruflichen oder gymnasialen Abschluss – insgesamt 91,4 % der 25-Jährigen! Und der Titel des Diagramms, «Migrationshintergrund bremst Lernerfolg», ist etwas irreführend, denn immerhin haben über 85% der in der Schweiz geborenen und fast 80% der im Ausland geborenen Ausländer mit 25 Jahren eine Lehre oder das Gymnasium erfolgreich abgeschlossen. Eine derart erfolgreiche Integration ausländischer Jugendlicher soll uns einmal jemand nachmachen!

Lassen wir es uns nicht verdriessen, dass die Akademikerquoten in der Schweiz tiefer sind als in vielen anderen Ländern. Dafür bringt unser durchlässiges duales Berufsbildungssystem rekordhohe Abschlusszahlen hervor, gerade auch bei ausländischen Jugendlichen, und die Schweizer Jugendarbeitslosigkeit ist die niedrigste weit und breit.

Ganz zum Schluss der Aufsteller «Schule braucht Klartext» aus der Feder eines ehemaligen Schulpflegers (oder muss es heissen «Schulpflegenden»?) in der NZZ.

Damit wünsche ich Ihnen viel Freude bei der Lektüre.

Marianne Wüthrich