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Newsletter vom 12.4.2020

Die Krise deckt es schonungslos auf:
Lebendige Beziehungen sind für Kinder zentral

Geschätzte Leserinnen und Leser

Zu diesem Wochenende präsentieren wir Ihnen mit einer breiten und spannenden Palette von Artikeln zu den Bildungsthemen einen regelrechten, digitalen «Osterstrauss». 

Fernunterricht kann das Klassenzimmer nicht ersetzen

So sehr die Digitalisierung als Retter in der Not gepriesen wird, müssen nach mehreren Wochen Homeschooling auch hartgesottene Digitalisierungskämpfer zugeben, dass Lektionen über den Bildschirm nicht mit Schulstunden im Klassenzimmer verglichen werden können. Digitale Geräte können analoge Prozesse unterstützen, nicht aber ersetzen. Apropos Homeschooling: Ironischerweise schweigen die Medien seit Ausbruch der Krise über die eigentlichen Homeschooler (Familien, die ihre Kinder zuhause selber unterrichten). Als Gewinner der Stunde hätten diese Eltern garantiert einige gute Tipps auf Lager, wie man Kinder auch ohne Laptop und Lernprogramme zu bildendem Lernen helfen und motivieren kann. Zum Beispiel, wie man Kinder zum Lesen begeistert. Über das grosse Lese-Defizit hatten ja kürzlich Marianne Wüthrich und Urs Kalberer an unserem letzten Anlass berichtet.

Zuhause, in der Schule, im sozialen Leben: Wie ein roter Faden taucht der Begriff «Beziehung» immer wieder in den Artikeln auf. Krisenzeiten wie diese machen uns neu bewusst, wie wichtig Beziehungen für uns Menschen sind. Immer wieder werde ich dadurch an den Vortrag von Carl Bossard letzten Herbst «Schulkinder suchen keinen Coach, sie wollen einen Häuptling» erinnert. Wobei die Zeitungen lieber das Bedürfnis der Schüler untereinander hervorheben als die Beziehung zur Lehrperson.

Not macht erfinderisch

Wer meint, Krisen bewirken nur Negatives, wird hier eines Besseren belehrt: Die Projekte «Enkelschule» und «Digitale Kleinklassen» zeigen, dass Krisen auch die Kreativität fördern können. Beim Projekt «Enkelschule» werden Schulkinder von ihren Grosseltern per täglichem Videoanruf im Schulstoff und den Hausaufgaben ganz praktisch unterstützt. Dies entlastet einerseits die Eltern, andererseits profitiert davon auch die ältere Generation. Im Fernunterricht hat es sich gezeigt, dass eine intensive Fernbetreuung von Kindern mit speziellem Förderbedarf die pädagogische Kapazität der Klassenlehrpersonen übersteigt.  Was schon im schulischen Alltag eine Herausforderung ist und ohne Kleinklassen mehr schlecht als recht gelingt, geht im Fernunterricht gar nicht mehr. Als rettende Idee kommt jetzt der Vorschlag, dass jede Heilpädagogin ihre Förderschüler in Kleingruppen digital unterrichten könnte (digitale Kleinklassen). Das brächte den Klassenlehrpersonen eine grosse Entlastung und hätte den Vorteil, dass Eltern sich direkt an die Heilpädagoginnen wenden könnten. Unser Vereinsmitglied Marc Bourgeois hat diesen Vorschlag aufgegriffen und im Kantonsrat als Vorstoss eingereicht.

Die Bedeutung des familiären Umfelds rückt stärker ins Bewusstsein

Während der soziale Aspekt der Schule in den vorliegenden Artikeln hochgehalten wird, so wird uns gleichzeitig ein düsteres Bild über das familiäre Umfeld gemalt. Doch wenn die ständige Nähe der Eltern zu Konflikten führt, das Zuhause den Schulkindern eine innere Leere hervorruft und sie gar in Depressionen fallen lässt, sollte es uns das ernsthaft beunruhigen. Die Schule kann weder die fehlende Geborgenheit zwischen Eltern und Kindern ersetzen noch das soziale Desaster von Zuhause ausgleichen. Kinder sollten primär zur Schule gehen, um mit Freude und Neugier zu lernen, nicht um nicht zuhause sein zu müssen.

Eine gesunde und ausgewogene Beziehung zuhause führt auch zu Ausgeglichenheit in der Schule, an der Arbeit und im sozialen Umfeld. Hier wäre dann auch schon der Bogen zum wichtigsten Fest der Christenheit gespannt, das wir dieses Wochenende feiern. Denn die Essenz von Karfreitag und Ostern liegt in der Beziehung auf der vertikalen Ebene. Erst, wenn diese funktioniert, können die Beziehungen auch auf horizontaler Ebene gelingen. Die gute Nachricht: Ostern ist vollbracht! Nun liegt es an jedem Einzelnen, diese Chance für sich und seine Familie zu nutzen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen eine spannende Lektüre, gute Gesundheit und ein frohes und besinnliches Osterfest!

Timotheus Bruderer, Präsident Starke Volksschule Zürich

Inhalt

  • Die Krise deckt es schonungslos auf: Lebendige Beziehungen sind für Kinder zentral
    11.4.2020, Timotheus Bruderer
  • Nicht vom Korn allein
    Journal21, 4.4.2020, Carl Bossard
  • Auf Dauer wird der Fernunterricht langweilig
    NZZ 9.4.2020, Zürich und Region, Nils Pfändler, Linda Koponen
  • Trotz Corona: Wie Grosseltern ihren Enkeln bei den Hausaufgaben helfen können
    Aargauerzeitung 3.4.2020, von Annika Bangerter, CH Media
  • «Eltern sollen nicht die Lehrperson spielen»
    NZZ 28.3.2020, Zürich und Region, Interview Linda Kaponen
  • Corona – ein Albtraum auch für Jugendliche
    NZZ 2.4.2020, Meinung und Debatte, Gastkommentar von Allan Guggenbühl
  • Enorme Heterogenität an der Heilpädagogischen Sonderschule
    Condorcet Bildungsblog 31.3.2020, Riccardo Bonfranchi
  • Für Kinder mit Lernschwierigkeiten verschärfen sich die Nachteile: Helfen digitale Kleinklassen?
    Aargauer Zeitung 28.3.2020, von Kari Kälin - CH Media
  • Braucht es den Nachteilsausgleich für Legastheniker?
    Condorcet Bildungsblog, 29. März 2020, Felix Schmutz
  • Bildendes Lernen braucht Schule und Unterricht – Warum digitales Lernen auch in Krisenzeiten nur ein Notstopfen bleibt
    Condorcet Bildungsblog 5.4.2020, Gastbeitrag von Jochen Krautz