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Newsletter vom 1.3.2020

Schlechte Noten für Inklusionsschulen und Frühfremdsprachen

In den sogenannten Gemeinschaftsschulen (GMS) in Baden-Württemberg werden die Kinder, unabhängig von ihrem Lernniveau, bis und mit Klasse 10 zusammen beschult. Wenn man das Protestschreiben des Philologenverbands liest, fühlt man sich ganz an unsere Inklusions- und SOL-Klassen erinnert: Selbstorganisiertes Lernen und Coaches statt Lehrer, dauernde Störungen im Schulzimmer, schwächere Schüler bleiben über weite Strecken sich selbst überlassen usw. Die Hauptforderung der Lehrkräfte an die Kultusministerin: Staatliche Gelder den Gymnasien und Realschulen statt den GMS geben und kleinere Klassen bilden. «Dann zeigen wir Ihnen, wie viel mehr man mit diesem Geld an klassischen Gymnasien und Realschulen erreicht.»

NZZ: Integrative Schule ist gescheitert

Das ist – hinübergedacht in die Schweizer Volksschule – ganz im Sinne einer zunehmenden Zahl von Kommentatoren und Leserbriefschreibern, die mit Ausdauer die Kleinklassen zurückverlangen. Deutsch und deutlich nimmt NZZ-Redaktor Daniel Fritzsche am 28.2. Stellung: Die integrative Schule sei gescheitert – gemäss den Erfahrungen vieler Eltern und Lehrer, aus finanziellen Überlegungen und ganz besonders aus dem Blickwinkel des Kindeswohls. Erfreulich ist auch, dass unsere Mitstreiterin Yasmine Bourgeois in derselben Ausgabe ebenfalls zu Wort kommt und als erprobte Primarlehrerin die Stellungnahme der Redaktion voll bestätigt. Hanebüchen und wider jede Vernunft ist dagegen der Versuch der Zürcher Bildungsdirektorin und ihrer Seilschaften im Volksschulamt und an der PH Zürich, die Wirklichkeit umzubiegen und ihre Phrasen zu dreschen: «Der integrative Unterricht ist für mich kein Projekt, sondern ein Menschenrecht» (Silvia Steiner); «Eine inklusive Schule ist eine gute Schule» (Pool Maag, Professorin «für Inklusion und Diversität» an der PH Zürich). Es ist nicht zum Aushalten!

Frühfremdsprachen: Keine Belege für bessere Leistungen

Herrlich spritzig kommt im Gegensatz dazu die erstaunlich selbstkritische Stellungnahme des Mehrsprachigkeitsforschers Berthele von der Uni Fribourg daher, die Felix Schmutz für die Condorcet-Leser übersetzt hat. Zu erfahren, was in der Bildungsforschung so alles zurechtgebogen und für die eigenen Zwecke umgedeutet wird, wäre eigentlich zum Schmunzeln, wenn die Pseudowissenschaftlichkeit nicht auf dem Buckel unserer Kinder ausgelebt würde. Jedenfalls kommt Berthele zum Schluss, dass es keine Belege für bessere Leistungen in einer Fremdsprache gibt, wenn die Kinder früher damit beginnen. Die Vergleichsstudie, die der Forscher vermisst, gibt es übrigens. Erinnern Sie sich? Eine Langzeitstudie von Susanne Pfenninger, Uni Zürich, welche von 2008 bis 2016 die Englischkenntnisse von 500 Zürcher Gymnasiasten am Beginn und am Ende ihrer schulischen Ausbildung verglich und herausfand, dass die meisten Spätlerner den Vorsprung der Frühlerner nach sechs Monaten aufgeholt hatten. Eher peinlich ist die Abqualifizierung der Forscherin beziehungsweise ihrer Studie durch Christoph Eymann, damals EDK-Präsident und Mitverantwortlicher für den Lehrplan 21 samt Frühfremdsprachenkonzept.[1] Alarmierend: Kurz darauf meldete sich die Autorin der im ganzen Land vielbeachteten Studie in Zürich ab und wechselte an eine österreichische Uni.

Gute Deutschgrundlagen als unverzichtbare Voraussetzung aller Bildung

Zu den sprachlich anspruchsvollen Sätzlirechnungen an der Zürcher Gymiprüfung schliesse ich mich der Meinung an, dass einigermassen gute Deutschkenntnisse Voraussetzung sind, um im Gymi über die Runden zu kommen. (Allerdings ist dem Mathe-Lehrer, der die Wiese mit einem Mähdrescher mähen will, ein Landdienst-Aufenthalt zu empfehlen.)

Damit sind wir beim Leserbrief von Max Knöpfel zum Beitrag von Hanspeter Amstutz, «Deutsch lernen ist ein unterschätzter Grundauftrag der Volksschule». Die Bildungsverwaltung und die Lehrerausbildner stehen in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Volksschule diesen Grundauftrag erfüllen kann. Der Leserbrief stimmt unsere Leserschaft sozusagen ein auf den nächsten Vortragsabend mit Diskussion der Starken Volksschule Zürich am 5. März (siehe Veranstaltungshinweise). Wir freuen uns, Sie dazu einzuladen. 

Redaktion Starke Volksschule Zürich

Marianne Wüthrich

Inhalt

  • Schlechte Noten für Inklusionsschulen und Frühfremdsprachen
    2.2020 Marianne Wüthrich
  • PhV fordert ein tragfähiges pädagogisches Konzept für die Gemeinschaftsschulen im Land
    Philologenverband Baden-Württemberg, Pressemitteilung 12.2.2020
  • «Es gibt keine echte Integration»
    NZZ 28.2.2020, Zürich und Region, Nils Pfändler
  • «Die ganze Aktion ist gescheitert»
    NZZ 28.2.2020, Zürich und Region, Interview Nils Pfändler
  • Der sonderpädagogische Sektor ist am Ende
    Der Zürcher Bote 14.2.2020, Leserbrief von Hans-Peter Köhli
  • Wissenschaft und Pseudowissenschaft in der Sprachdidaktik
    Condorcet Bildungsblog 22. Februar 2020, Felix Schmutz
  • Das Problem mit den Sätzlirechnungen
    Tages-Anzeiger 21.2.2020, Meinungen, Philippe Zweifel
  • «Sprachkenntnis ist eine Chance, keine Strafe
    Tages-Anzeiger 27.2.2020, Debatte, Leserbriefe
  • Digitaler Deutschunterricht
    NZZ 24.2.2020, Zuschriften
  • Das Kind, der Staat und die Eltern
    NZZ 22.2.2020, Meinung und Debatte, Schwarz und Wirz von Claudia Wirz
  • «Spekulative Interpretation»
    NZZ am Sonntag 23.2.2020, Leserbriefe
  • Das eine tun – und dabei das andere nicht lassen
    Zürcher Oberländer 21.2.2020, Leserbrief von Max Knöpfel
  • Veranstaltungshinweise
    März 2020: Deutsche Sprache als Grundlage allen Lernens
    25. März 2020: Der schiefe Turm von Pisa – Schüler und Lehrer im (Test-)Stress
    9. Mai 2020: Time for Change III: Balsam für die Lehrerseele.

 

[1] siehe Mirjam Fuchs, «Im Kreuzfeuer des Sprachenstreits», Tagesanzeiger 30.05.2016