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Newsletter vom 8.7.2018

Vom Kapitän zum Erbsenzähler

Der neue Berufsauftrag setzt falsche Akzente und sorgt für Unruhe

Hört man sich in diesen Tagen in den Lehrerzimmern um, so ist viel Ärger über den neuen Berufsauftrag zu spüren. Dieser entspricht überhaupt nicht den Vorstellungen, wie sie die Zürcher Lehrerverbände vor zehn Jahren entwickelt hatten. Man erhoffte sich eine bessere Übersicht über die immer vielfältigere Berufsarbeit und letztlich eine gerechtere Entlöhnungder Lehrerarbeit. Doch mit der Vorgabe, dass die Umsetzung des Berufsauftrags kostenneutral erfolgen müsse, war klar, dass das Projekt von Anfang an arg in Schräglage war. Statt die Übung abzubrechen oder wenigstens auf ein einfaches Konzept umzuschwenken, wurde ein engmaschiges Kontrollinstrumentgeschaffen, das jeden unternehmerischen Geist zu ersticken droht.

Der für die Schulqualität entscheidende Unterricht wird jetzt in einer zeitlichenPauschale für jede Lektionerfasst. Es kommt dabei nicht darauf an, ob eine Lehrerin grossartige Vorbereitungen für eine Naturkundestunde trifft, stundenlang Schüleraufsätze korrigiert oder im krassen Gegensatz dazu alles Aufwändige reduziert. Die Pauschale ist zudem so bescheiden, dass sie pädagogischen Einsatz im Unterricht schlecht belohnt.

Bis auf die Minute genau nimmt man es hingegen bei der Zeiterfassung aller Tätigkeiten, die ausserhalb des Unterrichtsgeschehens stattfinden. War bis vor Kurzem der Lehrerberuf geprägt von einem verantwortungsbewussten Auftragsdenken, das ein kleinliches Aufrechnen von Überzeiten ausschloss, so droht nun ein bürokratisches Erbsenzählen. Wer ausserhalb des Unterrichts mehr Arbeiten verrichtet und alles akribisch notiert, wird dabei besser wegkommen.

Nicht überraschend zeigt sich nun bei den meisten Lehrpersonen, dass ihre effektiv geleisteteJahresarbeitszeithöher ist als im Berufsauftrag durchschnittlich angenommen wird. Einige haben bereits ausgerechnet, dass sie spätestens Mitte November die Schule einstellen müssten, um ihre Überzeiten kompensieren zu können. Dass die ganze Übung bei den allermeisten Lehrerinnen und Lehrern ganz schlecht ankommt, erstaunt deshalb nicht. Politisch manifestiert sich die grosse Unzufriedenheit mit dem Berufsauftrag in zwei Veranstaltungen der Zürcher Lehrerverbändenach den Sommerferien. Als Einstimmung auf die kommenden brisanten Auseinandersetzungen haben wir in dieser Ausgabe Berichte und Analysen zum Berufsauftrag an den Anfang gesetzt.

Dass wir das Unterrichtsgeschehen und die Bedeutung starker Lernbeziehungenals zentral erachten, sehen Sie in weiteren spannenden Beiträgen. Carl Bossard weist mit seinem brillanten Text über die Entwicklung kindlicher Autonomie darauf hin, dass dialogisches Lernen eine Voraussetzung für erfolgreichen Unterricht ist.

Zwei aufschlussreiche Beiträge von Mario Andreotti und Judith Barben setzten sich mit der veränderten Lehrerrolle und den überbordenden Anforderungen an die Klassenlehrer auseinander. Dazu kommen lebendige Berichte aus dem Schulalltag eines Primarlehrers und einer Sekundarlehrerin.

Schauen Sie kurz aufs Inhaltsverzeichnis. Sie werden sehen, dass für eine anregende Sommerlektüre viel Stoff aus dem ganzen Bereich der Bildung vorhanden ist.

Wir melden uns wieder Mitte August und wünschen Ihnen erholsame Sommerferien.

Für die «Starke Volksschule Zürich»

Hanspeter Amstutz

Inhalt

  • Vom Kapitän zum Erbsenzähler
  • Lehrern läuft die Zeit davon
    «So steigert man Schulqualität nicht»
  • „Dann frage ich halt die Eltern!“
  • Inklusion – Fortschritt oder Rückschritt?
  • Lehrer – ein schwieriger Beruf in der Krise
  • 40 Jahre am Puls der Schweizer Schüler
    Kommentar
  • Zürcher Datenschützer kritisiert den Einsatz von Whatsapp an Schulen
  • Digitalisierung der Schule – ein Irrweg