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Newsletter vom 9.12.2018

Ermutigender Einspruch

Gegen Ende Jahr ist es üblich, Bilanz zu ziehen. Ja, was hat sich denn in der Schweizer Bildungspolitik im vergangenen Jahr an Wesentlichem ereignet? Zufrieden werden die Bildungspolitiker darauf hinweisen, dass sie den neuen Lehrplan ohne weitere Gegenwehr überall einführen können und die Harmonisierung der Bildung auf guten Wegen ist. Darüber hinaus ist man stolz, dass mit dem neuen Lehrplan ein verbindliches Steuerungsinstrumentgeschaffen wurde. Nun kann der Kurs der Schule klar bestimmt werden und der Erfolg scheint garantiert. Die Erziehungsdirektoren sind überzeugt, dass sie ihre bildungspolitischen Hausaufgaben gelöst haben und deshalb die Deutschschweizer EDK auflösen können.

Doch ein Blick in die Schulstuben zeigt, dassdie heissen Eisen der Bildungspolitik überhaupt nicht angefasst wurden. Der Mangel an Lehrern (bewusst männliche Form) an der Volksschule spitzt sich dramatisch zu. Bei der leidigen Frage der schulischen Integration schwieriger Schüler in die Regelklassen ist man keinen Schritt weitergekommen und die Verunsicherung über die Rolle der Lehrkräfte hat ein für die Schule schädliches Mass erreicht. Passend zur Gesamtsituation sind die heftigen Auseinandersetzungen über den kleinkarierten Berufsauftrag im Kanton Zürich.

Für Aussenstehende ist eine Beurteilung des Zustands unserer Volksschule äusserst schwierig. Läuft es nun wie geschmiert oder ist im Gegenteil sehr viel Sand im Getriebe?

Bei den Erziehungsdirektionen glaubt man, die richtigen Massnahmen eingeleitet zu haben, umdie Lernprozesse bis ins Detail optimierenzu können.Die aktuelle Zauberformel heisst Individualisieren durch Digitalisierung. Schulen werden flächendeckend mit Tablets ausgerüstet und gleichzeitig wird verkündet, dass man dank wissenschaftlich begründeter Lernkonzepte die hoch gesteckten Bildungsziele erreichen werde. Das kommt bei vielen Eltern gut an. Bildung ist plan- und kontrollierbar. Lehrerinnen und Lehrer wird dabei die Aufgabe zugewiesen, die Programme umzusetzen und die Schüler zu begleiten.

Doch von Lehrerseite kommt zu Recht Einspruch. Pädagogik umfasst viel mehr als das Ausführen von vorgegebenen Lernschritten. Wer den Lehrerberuf so technokratisch auffasst, ist auf dem Holzweg. Es fehlt das «feu sacré», die innere Berufung, um als Botschafter der Bildung junge Menschen abholen zu können. Lange Zeit galt das Wort «Berufung» in der modernen Pädagogik als suspekt, doch die Praxis zeigt, dass genau diese Leidenschaft für den Beruf die erfolgreiche Lehrerin und den überzeugenden Lehrer ausmacht.

Unser erster Beitrag von Carl Bossardstellt das innere Feuer der Lehrpersonen ins Zentrum. Er weist auf einen bekannten Fussballtrainer hin, der mit grosser Motivationskraft sein Team zum Erfolg führt. Der zweite Beitrag von Margrit Stammbefasst sich mit dem Planungs- und Optimierungswahn in der Pädagogik. Sie wehrt sich gegen die Vorstellung, das Lernen bei Kindern liesse sich beliebig beschleunigen.

Die Kritik unserer Autoren an den pädagogischen Dogmen unserer Zeit fällt deutlich aus. Unsere Leserbriefschreiber hauen mit brillanten Beiträgen in die gleiche Kerbe. Auch die Irrwege in der Rechtschreibedidaktik werden vertieft diskutiert. Die geballte Ladung an Einsprüchenist kein schlechtes Zeichen. Die Texte fordern ein entschiedenes Umdenken und machen uns Mut, die pädagogischen Freiheiten wieder neu zu entdecken. Dies stimmt hoffnungsvoll.

Ich wünsche Ihnen im Namen des Redaktionsteams von «Starke Volksschule Zürich» frohe Weihnachten. Der nächste Newsletter wird nach dem Jahreswechsel erscheinen.

Hanspeter Amstutz

Inhalt

  • Ermutigender Einspruch
  • Lucien Favre ist mehr als nur Coach
  • Besser auf die Kinderseele achten
  • Dienst nach Vorschrift?
  • «Der Sinn der Rechtschreibung»
  • Vom Lernen und Korrigieren
  • Kreativität ist wichtiger als Rechtschreibung
  • Die Gene bestimmen viel, aber nicht alles
  • Bildungssystem auf den Kopf gestellt
  • «Nicht die Eltern sind das Problem»
  • «Berufslehre für den Wohlstand»
  • Pressemitteilung vom Abstimmungssonntag
  • Wacht auf, Schlafmützen!
  • Veranstaltungshinweis
    1.2019: Selbsttätiges Lernen, Lernateliers: