Springe zum Inhalt

Newsletter vom 3.2.2019

Schulreformen kommen, Dauerbaustellen bleiben

Wer geglaubt hat, mit der Einführung des neuen Lehrplans würden die Forderungen nach Strukturreformen der Volksschule verstummen, sieht sich getäuscht. Der Schweizerische Wissenschaftsrat (SWR) richtet dasnächste Reformmenu gleich mitganz grosser Kelle an. Im Bericht des SWR wirdeine grundlegende Strukturänderung der Volksschuledurch Auflösung der Jahrgangsklassen und einem radikalen Umbau der Oberstufe postuliert. Von dieser einschneidenden Reform verspricht man sich mehr Chancengerechtigkeit für Jugendliche aus bildungsfernen Familien. Eine andere grosse Reformbewegung sieht das Heil in der frühen Digitalisierung,damit massgeschneidertes Lernen mit individuellen Zielsetzungen organisatorisch besser bewältigt werden kann. Der Kanton St. Gallen will in dieser zentralen Frage eine Pionierrolle übernehmen und kündigt an, die Schule von innen her gründlich umzugestalten.

Bei beiden Reformprojekten werden hohe Erwartungen geweckt. Doch sicher ist nur, dass sie sehr viel kosten und die Lehrerrolle grundlegend verändern werden. Offensichtlich scheint der Glaube an eine wirkungsvolle Steuerung der Bildung durch Strukturreformen und wegweisende Lernprogramme trotz gegenteiliger Beweise unerschütterlich zu sein. In unserem Leitartikel führt uns Carl Bossardeindrücklich vor Augen, weshalb nicht die geplanten Reformen, sondern starke Lehrerpersönlichkeiten die Qualität einer Schule ausmachen. In die gleiche Richtung zielt Professor Mario Andreotti, der in einem Vortrag in Wil die Bedeutung einer lebendigen Klassengemeinschaft und die entwicklungspsychologische Seite des Lernens hervorgehoben hat.

Während aktuell wieder die Rede von grossen Würfen in der Bildung ist, herrscht noch immer grosse Ratlosigkeit bei der störendsten Dauerbaustelle der Volksschule.Es geht um die schulische Betreuung von verhaltensauffälligen Kindern in den Regelklassen. Neu sollen Klassenlehrpersonen das gescheiterte Sonderpädagogische Konzept retten, indem sie zu „Heilpädagogen light“ausgebildet werden. Sie sollen jetzt die leichteren Therapiefälle übernehmen. Statt den Ursachen auf den Grund zu gehen, weshalb denn so viele Kinder heute Stütz- und Therapiemassnahmen benötigen, wird einfach den Klassenlehrpersonen eine weitere Bürde auferlegt.

Es sind praxisferne Bildungsdogmen, welche aus der grossartigen Vision der Chancengleichheit das Sonderpädagogische Konzept zum engen Korsett gemacht haben. Ein erheblicher Teil der Therapiefälle ist hausgemacht. Alle Schüler müssen schon in der Primarschule drei Sprachen lernen, auch wenn sie damit überfordert sind. Alle Schüler müssen die Regelklassen besuchen, auch wenn sie in einer Kleinklasse eine weit bessere Betreuung erhalten würden. Alle Schüler müssen in jedem Fach die breit gefächerten Grundanforderungen erreichen, auch wenn sie mit einer Konzentration aufs Wesentliche mehr Erfolg beim Lernen hätten. Und alle Schüler sollen schon früh ihr Lernen selbständig organisieren und souverän den Wochenplan erfüllen. Dass bei all diesen Anforderungen vor allem Knaben scheitern, scheint die Bildungsverantwortlichen kaum stutzig zu machen.

Wir dürfen es nicht länger hinnehmen, dass kompetente Heilpädagoginnen nur noch von Zimmer zu Zimmer eilen, um pädagogische Feuerwehrzu spielen. Wer durch krankmachende Bildungskonzepte immer neue Brände entfacht, muss sich nicht wundern, wenn zu viele Lehrerinnen und Lehrer aus dem Schuldienst aussteigen. In unserem dritten Themenblock finden Sie ausführliche Beiträge zu den umstrittenen Plänen in der Sonderpädagogik.

Wie immer runden Leserzuschriften und Hinweise auf bildungspolitische Veranstaltungen unseren Newsletter ab. Wählen Sie einfach aus und geniessen Sie in Musse unser spannendes Magazin!

Für die Starke Volksschule Zürich

Hanspeter Amstutz

Inhalt

  • Schulreformen kommen, Dauerbaustellen bleiben
  • Schulqualität resultiert aus dem Unsichtbaren
  • Podiumsveranstaltung des Vereins «Starke Volksschule Zürich»
  • Vorlage Bildungsoffensive: „Nicht alles ist Förderung der Bildung“
  • Lehrer sollen sich mehr um Problemschüler kümmern
  • Nun kommt der «Heilpädagoge light»
  • Weniger Unruhe in den Klassenzimmern
  • Griff in die Ideologien-Kiste
  • Sie digitalisieren das Klassenzimmer
  • Nein zur IT-Bildungsoffensive
  • Informationstechnologie einsetzen, aber mit Bedacht
  • Einspruch! 2
  • Veranstaltungshinweise
    Das Lernen der Kinder ins Zentrum stellen
    Autismus – eine Diagnose mit vielen Facetten
    5.2019: Time for Change? – Teil II: Im Hamsterrad