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Selbsttätiges Lernen, Lernateliers: Podiumsgespräch, 30.1. 2019

Die kritische Haltung gegenüber der reformierten Schule lässt nicht nach. Dies beweist ein voller Saal anlässlich eines Podiums mit anschliessender angeregter Diskussion zum Thema «Selbsttätiges Lernen, Lernateliers» in Zürich. Dabei wurde die Schule aus verschiedenen Perspektiven betrachtet: Eltern, Psychologie und Gesundheit.

«Selbsttätiges Lernen ist Betrug»

Die kritische Haltung gegenüber der reformierten Schule lässt nicht nach. Dies beweist ein voller Saal anlässlich eines Podiums mit anschliessender angeregter Diskussion zum Thema «Selbsttätiges Lernen, Lernateliers» in Zürich. Dabei wurde die Schule aus verschiedenen Perspektiven betrachtet: Eltern, Psychologie und Gesundheit.

von Urs Kalberer
Nicole Fuchs berichtete über Ihre Erfahrungen als Mutter von Kindern an der Schule Niederhasli. Dort werden neue Schulformen wie selbstorganisiertes Lernen angewendet, was zu Protesten von Eltern führte. Nach ihrer Erfahrung macht diese Schule die Kinder krank. Obwohl an der Schule kompetenzorientierter Unterricht praktiziert wird, fehlten den Kindern die Grundkompetenzen, um dem Lehrplan 21-Konzept zu genügen. 
Die schöne, neue Begriffswelt der modernen Pädagogik wurde von Allan Guggenbühl thematisiert: Selbstständiges Lernen, Kooperation, Lernateliers – das alles tönt wunderbar, da kann man doch nicht dagegen sein. Doch, so Guggenbühl, müsse man sich durch diese Begriffe nicht täuschen lassen und die Auswirkungen anschauen, welche diese neuen Unterrichtsformen hätten.
Eindrücklich war die Faustrechnung, wonach es für einen Drittel der Schüler keine Rolle spiele, welche Methode angewandt wird – sie würden den Stoff meistern. Doch ein ganzes Drittel der Schülerschaft würde mehr lernen, wenn es gar nicht in die Schule ginge. Guggenbühls Erfahrung nach zeichne sich das selbsttätige Lernen durch viel Lärm, grosse Ineffizienz und dem mangelnden Einverständnis der Kinder aus. Kinder wollten und brauchten die Begegnung mit Erwachsenen, auch Dissonanz sei wichtig. Gerade dies werde aber durch den individualisierten und konstruktivistischen Ansatz des entdeckenden und selbsttätigen Lernens eingeschränkt. Das Fazit des Psychologen über die heutige Schulpraxis ist denn auch vernichtend: Selbsttätiges Lernen ist ein Betrug. Wir werden in zehn Jahren nicht stolz sein auf das, was heute in den Schulen geschieht. 
  
Der Kinderarzt Hannes Geiges fügte schliesslich noch Gedanken aus medizinischer Sicht an: Nicht nur die Schule sei krank, auch die Schüler seien es vermehrt. Besonders fragwürdig empfindet Geiges das herrschende Beurteilungssystem, das viele Probleme bei der Lehrstellensuche und damit hohe Folgekosten für die Gesellschaft verursache. Dem pflichtet Allan Guggenbühl bei, die Beurteilungsbögen des Sozialverhaltens gehörten abgeschafft, da besonders die Knaben dadurch pathalogisiert würden. Dies sei ein Skandal. ​