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Newsletter vom 7.7.2019

Immer wieder: Eine gute Volksschule für unsere Jugend!

5.7.2019 Marianne Wüthrich

Erfreulicher- und verdienterweise wurde die kritische Betrachtung unseres Redaktionsmitglieds Hanspeter Amstutz über den Sinn und Zweck des Geschichtsunterrichts und über dessen gravierende Mängel in der heutigen Volksschule in der NZZ publiziert. Am Fach Geschichte lässt sich die Untauglichkeit des kompetenzorientierten und vereinzelnden Lehrplan 21 besonders plastisch aufzeigen. Das Verständnis für die historischen Zusammenhänge können Jugendliche nun einmal nicht mit selbsterarbeiteten Faktenchecks zu einzelnen Ereignissen erwerben. Dazu ist unabdingbar eine Lehrerin vonnöten, die ihre Schar im Klassengespräch für Geschichte und deren Bezug zur Gegenwart zu begeistern vermag und mit ihren Schülern zusammen den soliden Aufbau der Basiskenntnisse Schritt für Schritt erarbeitet.

Ebenfalls begrüssenswert ist, dass immer mehr Lehrer an ihren erprobten Lehrmethoden festhalten und sich weigern, ihre Tätigkeit aufs Coachen, auf die Produktion von Arbeitsblättern, das Ausfüllen von Beobachtungsrastern und die Organisation von Computertests zu beschränken. Weniger erquicklich sind die sich häufenden Konflikte zwischen einzelnen Lehrern – die ihren Klassen etwas beibringen wollen und auf ihrer Methodenfreiheit bestehen – und ihren Schulleitungen. Inzwischen begegnen uns solche Vorfälle fast täglich in den Medien. «Wenn Individuum und System in Konflikt geraten und aufeinanderprallen, siegt im Regelfall das System. Und die Aufsichtskommissionen stehen meist auf der Seite des Systems.» So beschreibt Carl Bossard die rauhe Wirklichkeit treffend.

Leidtragende sind die Schülerinnen und Schüler. Denn die besten Pädagogen verlassen ihre Stellen oder werden entlassen, und guter Ersatz ist nicht in Sicht (siehe «Notlösungen an den Schulen»). Es ist mehr als scheinheilig, wenn der Schaffhauser Erziehungsdirektor Christian Amsler – der als Präsident der d-EDK mit saloppen Sprüchen den Paradigmenwechsel des Lehrplan 21 herunterzuspielen versucht hat – heute verkündet, es werde «alles unternommen, dass der den Schülerinnen und Schülern gesetzlich zugesicherte Unterricht auch stattfinden kann». «Stattfinden» ja, aber in welcher Qualität? Herr Amsler steht persönlich in der Pflicht, und mit ihm die gesammelten «Experten», welche den Niedergang unserer Volksschule zu verantworten haben.

Alles Jammern über den grassierenden Lehrermangel nützt nichts, denn: «Wer will unter solchen, nicht kindgerechten Voraussetzungen noch Lehrer sein? Und wie sollen Lehrer als souveräne Persönlichkeiten unterrichten können, wenn sie immer mehr am Gängelband selbstherrlicher Schulleiter und weltfremder Bürokraten tanzen müssen?» Diese Frage stellt Mario Andreotti und diese Frage stellen immer mehr alarmierte Eltern, Lehrer und besorgte Bürger. Die unter Druck und Zwang gesetzten Lehrerinnen und Lehrer sollten sich energischer wehren, meint Hans-Peter Köhli, der sich mit seinen engagierten und treffenden Leserbriefen wieder und wieder zu Wort meldet. Und sein Kollege Bruno Pfister hat grösstes Verständnis für Eltern, die ihre Kinder lieber ins Gymi oder in eine Privatschule schicken wollen, um ihnen die «heruntergefahrene Volksschul-Oberstufe» zu ersparen.

Dass eine Berufslehre in unserem (noch) guten dualen Bildungssystem einen ebenso sinnvollen Weg ermöglicht wie die Matura, ist zwar unbedingt richtig. Aber: Auch für eine Lehre werden die notwendigen Grundlagen in der Volksschule je länger, je weniger gelegt, wie viele Ausbildner in den Betrieben klagen.

So weit haben wir es gebracht! Wo sind die berechtigten Forderungen der protestierenden Jugend früherer Zeiten geblieben? Für Chancengleichheit für alle Kinder und gegen autoritäre Erzieher sind sie angetreten. Und heute? In den Inklusionsschulen und den altersdurchmischten Grossraum-Schulzimmern gibt es trotz aller schönen Worte keine Chancengleichheit, sondern nur noch «Chancengerechtigkeit»: Wer sich trotz SOL nach oben zu strampeln vermag, hat seine Chance gepackt, der Rest ist selbst schuld, so lautet die auf reines Kosten-Nutzen-Denken ausgerichtete konstruktivistische Theorie hinter den heutigen Schulreformen, wenn man sie von allem Flitterzeug reinigt. Wer Eltern hat, die ihr Kind da herausholen, hat Glück gehabt. Chancengleichheit sieht anders aus. Und autoritär sind heute nicht mehr die Eltern und Lehrer, sondern die Mehrzahl der Schulleitungen und Bildungsdirektionen. Lesen Sie dazu den beklemmenden Leserbrief von Urs Willi zur «mentalen Uniformierung».

Niemand von uns wünscht unserer Jugend eine solche Volksschule. Der Verein «Starke Volksschule Zürich» fordert wieder eine Schulbildung, die diesen Namen verdient. Klassenunterricht statt Vereinzelung, einen strukturierten Aufbau des Lernstoffes statt da ein Häppchen und dort ein Filmchen, Kleinklassen, wo Kinder mit besonderen Bedürfnissen zum Lernerfolg kommen können, und vieles mehr.

Wir freuen uns über jede Leserin und jeden Leser, die mit dabei sind!

Wir melden uns wieder Mitte August und wünschen Ihnen erholsame Sommerferien.

Marianne Wüthrich

Inhalt

  • Immer wieder: Eine gute Volksschule für unsere Jugend!
    7.2019 Marianne Wüthrich
  • Was ist los mit unserem Geschichtsunterricht?
    NZZ 2.7.2019, Schweiz, von Hanspeter Amstutz, Originalversion mit ursprünglichen Titeln
  • Wenn Individuum und System in Konflikt kommen
    Journal21, 27.6.2019, von Carl Bossard
  • «An den Schulen lebt der Filz»
    Tages-Anzeiger 27.6.2019, Zuschriften
  • Wenn Lehrer den Schulen davonlaufen
    Galler Tagblatt 5.7.2019, Ansichten, von Mario Andreotti
  • Notlösungen an den Schulen
    NZZ am Sonntag 30.6.2019, René Donzé
  • Vor den Ferien noch zum Psychiater
    Tages-Anzeiger 29.6.2019, Zürich, Liliane Minor
  • Diversifizierung des Bildungswesens
    Tages-Anzeiger 4.7.2019, Debatte, Leserbriefe zu «vor den Ferien noch zum Psychiater», TA vom 29.6.
  • Die mentale Uniformierung
    NZZ 5.7.2019, Zuschriften
  • Ins Gymnasium – auf Biegen und Brechen
    Tagblatt der Stadt Zürich, 3.7.2019, Aktuell, von Sacha Beuth
  • Lehrer wollen die Gymnasien entschlacken
    NZZ am Sonntag 23.6.2019, Schweiz, René Donzé